Wenn die Worte einfach nicht aufs Papier wollen: Das Verfassen einer längeren Arbeit ist für viele Studierende reine Quälerei. Was gegen Schreibprobleme hilft – und was nicht.
von Leonard Kehnscherper
Das Thema ist ausgewählt, der Professor weiß Bescheid und die Bücher sind ausgeliehen – jetzt muss die Hausarbeit nur noch geschrieben werden. Doch das ist gar nicht so leicht. Denn fast jeder Student kennt die Schwierigkeiten beim Schreiben längerer Arbeiten. Was können Studis gegen ihre Schreibprobleme unternehmen?
Schreibblockade – Was ist das eigentlich?
Zunächst sollten Studierende wissen, wo genau sie Schwierigkeiten haben. Eine Expertin hierfür ist Dr. Stephanie Dreyfürst, Leiterin des Schreibzentrums der Goethe-Universität Frankfurt am Main. Dreyfürst, ihre Kollegen und die studentischen Peer-Tutoren des Schreibzentrums beraten Studierende aller Fächer beim Verfassen wissenschaftlicher Arbeiten. Im Schreibzentrum unterscheiden Mitarbeiter generell zwischen einer Schreibblockade und einer Schreibhemmung.
„Von einer Schreibblockade würde ich erst sprechen, wenn der Student monatelang gar nichts zu Papier bringt, obwohl er eigentlich motiviert ist“, sagt Dreyfürst. Die meisten Studierenden hätten aber einfache Schreibhemmungen – also Phasen, in denen das Schreiben schwerer fällt als sonst. „Das ist ganz normal“, versichert Dreyfürst.
Oft fehlt Interesse am Thema
Aber wie kann es überhaupt zu einer Schreibhemmung kommen? Ein weit verbreiteter Grund liegt darin, dass die Studierenden nicht richtig Lust auf das Thema haben, das ihnen der Dozent gegeben hat. „Da hilft es, sich einen Aspekt aus dem Thema zu wählen, über den man wirklich etwas herausfinden möchte“, rät Dreyfürst. Denn jedes noch so trockene Thema hat auch seine spannenden Seiten – auch wenn man sie erst suchen muss.
Ein anderer Grund für eine Schreibhemmung liegt oft darin, dass die Schreibsituation so künstlich ist: „Man schreibt seinen Text ja nicht für interessierte Gleichaltrige, sondern für einen einzigen Leser – nämlich den Dozenten“, erklärt Dreyfürst. Da dieser natürlich viel mehr gelesen und Erfahrung an der Uni hat, empfinden viele Studierende ihren Dozenten auch noch als mehr oder weniger allwissend.
Also ist dem Studierenden bewusst, dass sie das Wissen der Gesellschaft mit ihrer kleinen Forschungsarbeit nicht vergrößern werden und am Ende „nur“ eine Note bekommen. „Das kann schnell hemmend wirken“, sagt Dreyfürst.
Auf die Fragestellung kommt es an
Zu den wichtigsten Voraussetzungen für eine gute wissenschaftliche Arbeit gehört die klare Fragestellung. Ist diese nicht genau eingegrenzt, haben viele Studierende das Gefühl, wirklich alles aufschreiben zu müssen, was sie zu ihrem Thema wissen oder dazu gelesen haben. Eine Beobachtung, die Dreyfürst und ihre Kollegen von der Schreibberatung oft machen.
Deshalb weiß Dreyfürst auch: „Gerade am Anfang des Studiums verunsichert viele Studierende, dass es beim wissenschaftlichen Schreiben nicht darum geht, mit Masse Eindruck zu schinden.“ Stattdessen gehe es in der Wissenschaft vielmehr darum, sich zu einem Thema deutlich zu positionieren, indem man einfach und logisch argumentiert – mit dem Fokus auf die so wichtige Fragestellung.
Aber auch auf die jeweilige Schreib-Strategie kann es ankommen. Denn nicht jeder Student schreibt seine Hausarbeit mit dem gleichen System: So möchten manche Studierende nicht erst einen Berg von Literatur lesen, bevor sie sich selbst Gedanken machen. Sie schreiben lieber drauf los. Andere horten vorm Schreiben lieber viel Literatur, haben dann aber Probleme, ihre vielen Gedanken zu Papier zu bringen. Ein Erklärfilm des Schreibzentrums der Goethe-Uni beschreibt die unterschiedlichen Schreibtypen.
Auch Freunde können helfen
Schreibzentren wie das der Goethe-Uni gibt es mittlerweile übrigens auch an vielen anderen Unis oder Fachhochschulen. Sollte die Uni kein eigenes Schreibzentrum haben, könnten sich Studierende mit Schreibhemmungen auch einfach einen Freund oder eine Freundin schnappen, rät Dreyfürst.
Die Freunde können dann Fragen zur Arbeit stellen, wie zum Beispiel: Worüber möchtest du genau schreiben und welche Frage beantworten? Wie und mit welchen Methoden willst du das tun? Was musst du tun, damit das funktioniert? Außerdem lohnt es sich, so Dreyfürst, mit anderen eine Schreibgruppe zu bilden, sich in der Bibliothek zu verabreden und sich zu belohnen, wenn man einen Abschnitt geschafft hat.
Von Arbeitsplan bis Zeitmanagement-App
Vielen Studierenden helfen außerdem konkrete Arbeitspläne in denen einzelne Aufgaben genau ausformuliert werden. Je präziser desto besser. Eine einfache To-do-Liste mit dem Hinweis „Drittes Kapitel fertig schreiben“ hilft also wenig. Stattdessen könne eine allgemeine Notiz für Dreyfürst eher so aussehen: „Zeigen, dass X mit Y so und so zusammenhängt und dass Z dazu wichtige Erkenntnisse geliefert hat.“
Daneben helfen auch verschiedene Zeitmanagement-Apps. Dreyfürst empfiehlt beispielsweise Apps, die nach der Pomodoro-Methode arbeiten. Das Wort „Pomodoro“ ist italienisch und bezieht sich auf die bekannten Küchenuhren im Tomaten-Look. Die Methode teilt alle Arbeitsschritte in 25-minütige Abschnitte ein und klingelt dann am Ende eines Abschnitts. Die häufigen Pausen sorgen bei vielen dafür, dass sie sich besser konzentrieren können und sie können auch verhindern, dass der Student in Panik gerät, wenn er trotz stundenlanger Arbeit nicht vorankommt.
„Natürlich ist es auch eine gute Idee, das Internet auszuschalten. Zumindest für eine gewisse Zeit“, ergänzt Dreyfürst. Übrigens sei es auch vollkommen in Ordnung, im Bett, Café oder im Lieblingspark zu schreiben, wenn einen der Ort inspiriert. Niemand ist gezwungen, sich alleine am eigenen Schreibtisch zu quälen. Dreyfürst spricht sich außerdem für eine effiziente Arbeitsweise aus: „Ich selbst arbeite lieber zwei, drei Stunden konzentriert an meinem Text und tue danach etwas anderes, als acht Stunden lustlos die Zeit zu verdaddeln.“
Mythos vom „Gläschen Wein“
An vielen Unis kommt von Studis und selbst Professoren öfter der Hinweis, beim abendlichen Hausarbeit-Schreiben auch mal „ein Gläschen Rotwein“ zu trinken – um gewissermaßen die „Zunge zu lockern“ und schneller ins Schreiben zu kommen. Aber was ist dran an dem weit verbreiteten Mythos von der anregenden Wirkung des Alkohols?
Dreyfürst hält von dem Wein-Tipp wenig. Texte seien Rohtexte und dürften beim ersten Hinschreiben grottig schlecht sein. „Richtig gute Arbeiten entstehen sowieso erst durch Überarbeiten. Insofern ist es vollkommen egal, ob die Zunge locker ist oder nicht“, stellt Dreyfürst fest. Und ergänzt: „Profis überarbeiten ihre Texte bis zu acht Mal, bevor sie gedruckt werden.“
Damit wird auch klar: Zu den vielen praktischen Schreibtipps kann sich Alkohol-Konsum nicht gesellen. Denn am Ende bleibt wissenschaftliche Arbeit vor allem eins: Arbeit.